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Eine direkte EZB 🎯
Die EZB sollte Bürger:innen und Regierungen direkter unterstützen.
📌 Kurzinformationen
- Die EZB interagiert nicht direkt mit Bürger:innen, Unternehmen und Regierungen; sie nutzt das Finanzsystem als Vermittler, um ihre Maßnahmen umzusetzen.
- Konkret tut sie dies, indem sie Banken und anderen Finanzinstituten Geld leiht, die dann ihrerseits Kredite an Unternehmen und Haushalte außerhalb des Finanzsektors (also an die Realwirtschaft) vergeben.
- Die EZB kontrolliert somit weder die Aktivitäten der Geschäftsbanken noch bestimmt sie, wer Kredite erhält. Nichtsdestotrotz verfügt sie über Instrumente, die zu einer zielgerichteren Kreditvergabe beitragen können. Zum Beispiel soll das sogenannte TLTRO-Instrument dabei helfen, die Kreditvergabe an Haushalte und Unternehmen zu fördern..
- Andere Instrumente, wie die Anleihekaufprogramme der EZB haben noch einen indirekteren Wirkungsmechanismus. Hier agiert die EZB nicht über Banken, sondern über den Anleihenmarkt.
- Trotz ihrer zahlreichen Maßnahmen erreicht die EZB ihr Inflationsziel nicht, was die Frage aufwirft, ob ihre bestehenden Instrumente wirklich zweckmäßig sind.
- Ein alternativer Vorschlag wäre, dass die EZB das Finanzsystem als Intermediär umgeht und direkt ihre Maßnahmen an Haushalte und Regierungen weiterleitet. Dies könnte sowohl effektiver als auch gerechter sein.
🗫 Meinung
Der Ansatz der EZB, sich bei der Kreditvergabe auf Finanzintermediäre wie private Geschäftsbanken zu verlassen, funktioniert nicht. Die EZB nutzt nicht die richtigen Instrumente und es ist an der Zeit, einen direkteren Weg zu gehen. Anstatt sich auf zwischengeschaltete Banken zu verlassen, um mehr Kredite zu generieren, könnte die EZB das Geld auch direkt in die Realwirtschaft einspeisen, indem sie zum Beispiel Geld direkt an die Menschen und Regierungen verteilt oder Schulden streicht.
💡 Lösungsvorschläge
→ Geld nicht über Finanzmärkte, sondern direkt an Menschen verteilen
→ Durch einen digitalen Euro allen Bürger:innen erlauben, Zentralbankgeld zu halten
→ Änderung der EU-Verträge, um eine Staatsfinanzierung durch die EZB zu ermöglichen
→ Die pandemie-bedingten Schulden von Haushalten und Unternehmen erlassen
📖 Hintergrundinformationen
Wir alle haben in diesem Jahr die Schlagzeilen gesehen: Die Europäische Zentralbank (EZB) produziert riesige Mengen an Geld, um die Auswirkungen der Covid-19-Krise auf die europäische Wirtschaft einzudämmen. Aber wohin fließt all dieses Geld? Warum wird es nicht verwendet, um lokale Unternehmen zu finanzieren, die pleite gehen, oder um Menschen zu helfen, ihre Arbeitsplätze zu behalten? Wir leben in einer Welt mit steigender Ungleichheit, in der die Banker die Gewinner und die normalen Bürger:innen die Verlierer zu sein scheinen. Wo passt die Arbeit der EZB da hinein?
Heute erreicht die EZB nur indirekt - durch die Vermittlung des Finanzsystems - die Bürger:innen und Regierungen. Mit anderen Worten: Die EZB verlässt sich in erster Linie auf private Banken und andere Finanzinstitute, um ihre Politik zu "übertragen", indem sie diesen Instituten Kredite gewährt. Die Finanzinstitute wiederum verleihen Geld an Unternehmen und Haushalte außerhalb des Finanzsektors (auch als Realwirtschaft bezeichnet). Heute kontrolliert die EZB die Aktivitäten der Banken im privaten Sektor jedoch nur schwach, denn sie legt lediglich einen Leitzins fest, zu welchem sich private Banken bei ihr Geld leihen können.
Ein Grund für diesen dezentralen Ansatz ist, dass die EZB nicht ideal positioniert ist, um zu beurteilen, ob jemand oder ein Unternehmen einen Kredit erhalten sollte oder nicht. Kommerzielle Privatbanken, die Filialen in den Städten haben, sind für diese Aufgabe besser geeignet, da sie das Risiko der Kreditvergabe an bestimmte Kunden und an die lokale Wirtschaft besser einschätzen können.
Um die Banken zu ermutigen, Kredite an die Wirtschaft zu vergeben, verleiht die EZB heute Geld an Geschäftsbanken zu sogar einem negativen Zinssatz.
Ein Beispiel dafür ist das Instrument der gezielten längerfristigen Finanzierungsgeschäfte (TLTROs). Im letzten Jahr haben sich die Banken über die TLTROs der EZB mehr als 1,7 Billionen Euro geliehen, zu einem Zinssatz von -0,5% oder sogar, unter bestimmten Bedingungen, -1%.
Negative Zinssätze sind ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite sollen Negativzinsen den Banken ermöglichen, Unternehmen und Bürger:innen fast kostenlos Geld zu leihen. Auf der anderen Seite stellen Negativzinsen aber auch eine Strafgebühr für die Banken auf das Reservegeld dar, das die Geschäftsbanken auf ihrem Einlagenkonto bei der EZB belassen. Dieser Strafzins soll die privaten Banken dazu bewegen, alles zu tun, um das Geld nicht ungenutzt auf den Konten der EZB liegen zu lassen, sondern es der Wirtschaft zu leihen, wo sie zumindest Zinsen dafür bekommen können. In der Praxis neigen die Banken aber dazu, die Kosten der Negativzinsen auf ihre Kunden abzuwälzen.
Die Negativzinsen und das TLTRO-Kreditprogramm kommen zu den 2.800 Milliarden Euro hinzu, die die EZB seit 2015 durch ihre quantitativen Lockerungsprogramme (QE) bereits in die Wirtschaft gepumpt hat. Zum größten Teil wird dieses Geld, anstatt in neue Investitionen in Infrastruktur, lokale Unternehmen und Arbeitsplätze zu fließen, in Finanzmärkte oder Immobilien gepumpt. Es bereichert die Besitzer dieser Vermögenswerte, was wiederum die Vermögensungleichheit erhöht und kaum positive Auswirkungen auf die realen wirtschaftlichen Aktivitäten hat.
Trotz dieser massiven Interventionen hat die EZB ihr primäres Mandat, ein Preisstabilitätsziel von nahe, aber unter 2% zu gewährleisten, in den letzten 7 Jahren nicht erreicht.
Daraus folgt, dass die bestehenden Instrumente der EZB untauglich zu sein scheinen. Theoretisch sollte die Senkung der Zinssätze für Bankkredite und Staatsverschuldung den Menschen, Unternehmen und Regierungen erlauben und sie ermutigen, mehr zu investieren. In der Praxis kann die EZB die Menschen jedoch nicht dazu zwingen, mehr Kredite aufzunehmen, wenn sie dies nicht wollen. Dies scheint oft der Fall zu sein, da einige Menschen bereits überschuldet sind oder sich Sorgen um die wirtschaftliche Zukunft machen.
Einige Ökonom:innen argumentieren, dass die EZB nicht die richtigen Instrumente einsetzt, um ihr Mandat zu erfüllen. Anstatt sich auf die zwischengeschalteten privaten Geschäftsbanken zu verlassen, um mehr Kredite zu schaffen, sollte die EZB direkt Geld in die Realwirtschaft initiieren. Es gibt mehrere Möglichkeiten, wie die EZB dies tun könnte: vom Schuldenerlass bis hin zur direkten Verteilung von Geld an Menschen oder Regierungen, um öffentliche Ausgaben zu fördern.
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